Prof. Korte "Lernen"

Zusammenfassung eines Vortrags, zum besseren Verständnis ergänzt durch Zitate aus Prof. Kortes 2009 erschienenem Buch „Wie Kinder heute lernen“, das als Elternratgeber mit vielen Tipps für Eltern geschrieben wurde, aber natürlich für LehrerInnen und SchülerInnen ebenso interessant und lesenswert ist und als Taschenbuch erschienen ist:

 

Prof. Dr. Martin Korte: „Lernen lernen – Lehren lernen – Lernen fördern“

Wenn sie wissen, wie das Gehirn funktioniert, können SchülerInnen besser lernen, LehrerInnen besser beim Lernen helfen und Eltern besser ihre Kinder fördern und dabei grundlegende Fehler vermeiden.

 

Zunächst zeigt Prof. Korte die Bedeutung von Selektivität, Konzentration, Motivation und unbewusstem assoziativem Lernen:

Der Mensch lernt praktisch immer (das Gehirn wiegt nur 2% des Körpergewichts, verbraucht aber 20% der Energie), sein Gehirn wählt aber ständig aus, was es wahrnimmt, als lernenswert speichert, verknüpft das Neue dann mit schon Bekanntem in verschiedenen Hirnregionen, und das Ganze geschieht in überwiegend unbewussten Prozessen in Abhängigkeit von den dabei empfundenen Gefühlen.  Wenn das Gelernte wiedergegeben werden soll, spielen wieder Motivation, Konzentration und der Entwicklungsstand des Gehirns eine große Rolle.

Drei überraschende und lustige Filme bzw. Experimente zeigen wichtige Aspekte des Lernens:

  1. Ein zweijähriger Schimpanse lernt am Computerbildschirm die Zahlen von 1 bis 10 und ist besser als erwachsene Menschen in der Lage, diese Zahlen bei nur sehr kurzem Erscheinen auf dem Bildschirm in der richtigen Reihenfolge zu identifizieren und auf dem Bildschirm sofort mit der Hand zu berühren. Ein acht- bis zehnjähriges Kind könnte das wohl ebenso besser als ein Erwachsener.
  2. Die anwesenden Zuhörer bekommen die Aufgabe, bei dem in einem Film gezeigten Basketballzusammenspiel die Pässe der Mannschaft in den weißen Hemden gegen eine Mannschaft in dunklen Hemden zu zählen. In der Mitte des Films taucht von rechts nach links im Bild ein als schwarzer Affe Verkleideter auf, klopft sich auffällig auf die Brust, streckt beide Arme in die Höhe und verschwindet dann wieder. Viele Zuhörer haben sich während des Films so sehr auf das Zählen und auf die weiße Mannschaft konzentriert, dass sie den schwarzen „Affen“ überhaupt nicht gesehen und registriert haben.
  3. Zunächst wird ein Wort mit vertauschter Buchstabenreihenfolge gezeigt, bei dem nicht sofort klar wird, um welches Wort es sich handelt. Dann werden 48 Buchstaben gezeigt, deren Sinn nicht erkennbar ist, wobei mit zunehmender Sinngebung durch von Herrn Korte gegebene ständig erweiterte Einzelhinweise ein Erkennen und Behalten immer besser möglich wird. Schließlich wird ein längerer Text von allen Anwesenden ohne Schwierigkeiten gelesen, obwohl bei allen Wörtern nur der erste und der letzte Buchstabe korrekt sind. Das Gehirn erkennt den Sinn der Wörter und des Textes, weil es ihn trotz falscher Buchstabenreihenfolge im Zusammenhang richtig interpretiert.

 

Was braucht das Gehirn, um gut lernen zu können?

 

 

„Das“ Gedächtnis gibt es nicht!

 

Das Langzeitgedächtnis in den verschiedenen Regionen der Großhirnrinde hat nach seriösen Berechnungen verglichen mit der Speicherkapazität von Computern eine Dimension, die schier unvorstellbar ist:

1,4 Petabyte, das sind 1,4 Billionen Byte oder 1,4 x 1000 000 000 000 000 Byte

Wir müssen keine Sorge haben, dass es jemals in unserem Leben für unser Lernen nicht ausreicht.

 

Es gibt vier verschiedenartige Speicherarten  in unserem Gehirn:

Bewusstes Gedächtnis

Episodisches oder autobiographisches Gedächtnis von allem bewusst Erlebtem



 Wissenssystem Faktengedächtnis

Unbewusstes Gedächtnis

Prozedurales Gedächtnis von unbewussten Vorgängen und Erlebnissen und Gefühlen

Priming
Wiedererkennen von Bekanntem, Wahrnehmungsgedächtnis, Nachahmung durch Lernen über Spiegelneurone

 

Das bewusste Gedächtnis ist nur ein Bruchteil des Gesamtspeichers, den Hauptteil macht das unbewusste Gedächtnis aus. Alle Speicher arbeiten ständig zusammen und dürfen nicht isoliert, sondern müssen ganzheitlich gesehen werden, da alles mit allem vernetzt ist, auch mit Gefühlen!

Zitat (S. 68/69): „Denn positive – wie negative – Gefühle haben einen maßgeblichen Einfluss auf das Gedächtnis. Verantwortlich für die Steuerung unseres emotionalen Verhaltens ist das limbische System. (…) Das limbische System ist der Filter, den die Informationen für das autobiografische und das Faktengedächtnis passieren müssen. (…) Lernen, Gedächtnis und Gefühle hängen also hirnanatomisch ganz eng miteinander zusammen.“

Im Kapitel 3.7 „Der Kampf um ein besseres Schulsystem“ mit dem Untertitel ab Seite 295 „Optimale Schulbedingungen“ nennt er die Punkte: jahrgangsübergreifendes Lernen in jahrgangsgemischten Klassen/Gruppen, individuelle Förderung, Gruppenarbeit, beste Lernzeiten vom Plan her zwischen 8.30 und 11Uhr und 14 und 16 Uhr, Änderung der 45-Minuten-Stunden (Schüler sind nur 4,5 Minuten aufmerksam) in 60, 75, 90 oder intensive 30 Minuten Takte, Zeit und Raum für Musik, Kreativität und Sport.

Zitat (S. 300): „Kinder so spät wie möglich in verschiedene hierarchische Schulsysteme aufzuteilen ist von Vorteil. Je länger verschiedene Leistungsgruppen zusammen lernen, umso besser für alle – sofern, und dieser Zusatz ist wichtig, für die leistungsstarken Schüler ebenso wie für die leistungsschwachen Schüler eine spezielle Förderung gewährleistet ist.“ (2. These, wie man Schule besser machen könnte.)

Zitat (S. 301): „Bessere Förderung von hochbegabten Kindern ist genauso unter individueller Förderung zu verstehen wie die Unterstützung der Schüler, die Probleme in bestimmten Fächern haben.“ (5. These)

Zitat (S. 303) zum Thema Reformen: „Es fehlt ein Befreiungsschlag, der grundlegende Bedingungen ändert.“

Herr Prof. Korte steht am Schluss des Abends noch ca. eine halbe Stunde für Fragen der Anwesenden zur Verfügung. Dabei betont er noch einmal, wie wichtig erzählte und vorgestellte Geschichten beim Lernprozess sind, da dabei verschiedene Hirnareale angesprochen werden. Er betont die Verantwortung der Lehrer, die das beste Lernen ihrer Schüler ermöglichen sollten, und die Verantwortung einer guten Schule, in der alle Betroffenen in diesem Sinne kooperieren sollten.

 Abschließend macht er die Anwesenden nachdenklich, indem er das gesellschaftliche Ansehen einer Institution mit dem Erfolg dieser Institution koppelt und dabei vergleichend feststellt, dass in Deutschland die Institution mit dem höchsten Ansehen die Polizei ist, während es in Finnland (PISA-Siegerland) die Schule ist und folglich dort wegen der Attraktivität (nicht wegen des Gehaltes) nur die besten Studenten Lehrer werden dürfen.

Zusammenfassung und Zusammenstellung durch Werner Plack, AWOL – Individuelles Lernen