Prof. Singer: Erniedrigung - eine Straftat

Davids Erniedrigung durch den Lehrer - eine Straftat


Manche Erniedrigung, die Einzelfälle gewalttätiger Lehrer als »Pädagogik« auslegen, erweist sich als Straftat: Beleidigung, Ehrverletzung, üble Nachrede, Verleumdung, Missachtung des Persönlichkeitsschutzes. Jugendliche können die Menschenrechte nicht einklagen; nur selten wagen es die Erwachsenen für sie. Davids Eltern nahmen nicht hin, dass ein Grundschullehrer das Selbstwertgefühl ihres Kindes verwundete. Der Lehrer verspottete den Schüler und gab ihn dem Gelächter der Klasse preis. Auf die Kränkungen hin nässte David nachts ein und weinte viel. Die psychische Lehrer-Gewalt beschädigte Seele und Körper.

Richterin und Richter des Landgerichts erkannten einen Verstoß gegen das Grundgesetz. Sie ahndeten das ehrverletzende Verhalten mit einem Schmerzensgeld von 1.600 Mark und 645 Mark Schadenersatz. Vielleicht waren sie der Überzeugung des Talmud: »Jemand der einen anderen vor Zeugen demütigt, ist als sein Mörder anzusehen.« Die Strafe für die begangene psychische Verletzung ist unverhältnismäßig milde; aber sie macht das Unrecht deutlich: die Verletzung der Kinderrechte. Heimliche Gewalt? Ja: Die Lehrer-Gewalt wird auch bei offenkundigem Unrecht staatlich gefördert. Behörden fanden keinen Grund, den Lehrer zu disziplinieren. »Vater Staat« sorgt für seine gehorsamen Diener auch dann, wenn sie seelische Gewalt praktizieren und damit gegen das Gesetz verstoßen. Der verurteilte Lehrer fügte dem Kind fahrlässig Schmerz zu; das Schmerzensgeld aber zahlte das Land. Den taktlosen Lehrer verwöhnte der Staat fürsorglich, dem psychosomatisch beschädigten Kind stand er nicht bei. Durch solche Strukturen bleibt die Schule – in „Einzelfällen“ - ein moralfreies Feld.